Wilhelm Bleyle war ein Werbe-Genie, genauer: ein Marketing-Genie. Ohne das Wort zu kennen, geschweige denn, jemals etwas von "Reason why" oder "Consumer`s benefit" gehört zu haben, beherrschte er schon vor der Jahrhundertwende das ganze professionelle Instrumentarium des modernen Marketings. Wilhelm Bleyle versetzte sich in seine Kunden bzw. Kundinnen hinein und schuf Produkte und Service, die an die Lebenswirklichkeit der Menschen angepasst waren. Die Käufer fühlten sich von Bleyle verstanden. Dabei war er in vielem ein Pionier!
W. Bleyle war der erste, der in der Branche ein System von Standardgrößen einführte - zum Nutzen des Handels und natürlich auch zum eigenen. Denn einerseits beschleunigte und erleichterte das genormte Größensystem den Verkaufsvorgang im Laden, andererseits trug es wesentlich dazu bei, die Herstellung weiter zu rationalisieren und so das Unternehmerrisiko weiter zu mindern (wobei der Matrosenanzug wegen seiner festgelegten Grundform sowieso schon als ideal für die konfektionierte Fertigung galt). Der Erfolg der Bleyle-Werbung vor dem ersten Weltkrieg war weniger aufgrund von der Vermarktung eines Nationalgefühls, vielmehr durch das Erkennen anderer gesellschaftlicher Entwicklungen, wie die Hygienediskussion und die Beliebtheit des Sports in diesem Zeitraum.
Bleyle hatte eine genau definierte Käuferschicht: eine gut situierte, bürgerliche Familie, dessen Mütter durch den praktischen und vielseitigen Einsatz überzeugt wurden. Dies ermöglichte eine effektive, genau abgestimmte Werbung und ein angepasstes Design an den Geschmack der Zielgruppe auszurichten. Außerdem stand dieses Jahrhundert unter dem Namen des Kindes, Kinder erhielten einen neuen Stellenwert in der Gesellschaft, da kamen der Knabenanzug und dessen Werbung gerade recht.
Bleyle war der erste, der in der Branche eine professionelle Werbung betrieb: Mit Plakaten und Inseraten, Prospekten und Katalogen, Bildzeichen und Slogans ("Bleyle`s Knabenanzüge sind die Besten"). Auch in den frühen Jahren bediente sich die Konkurrenz gerne an dem Image von Bleyle, weshalb ab 1901 nahezu alle Zeichen rechtlich geschützt wurden. Das Unternehmen Bleyle verstand es sehr genau in seiner Werbung die richtigen Motive einzusetzen. Es wurden wenig unterschiedliche Bilder, eher sehr langlebige und sehr moderne Motiv, ausgewählt. Der Alltag wurde schon vor 1914 in der Reklame aufgegriffen. Häufig strecken die Werbefiguren eine Hand nach oben, wahrscheinlich um eine gute Passform zu betonen. Interessant ist, dass z.B. auf den Werbebildern nie Schiffe der Kriegsmarine vorkamen, sowie fast keine Marinemotive, hingegen eher Spielzeuge abgebildet wurden.
Wobei die Bleyle-Werbung - ähnlich wie später die klassische "Käfer"-Werbung - über Jahrzehnte hinweg immer wieder die gleichen fünf Produktvorteile, nämlich ein stimmiges Preis-Leistungsverhältnis, guter Kundenservice, prompte Lieferung, pünktliche Ausführung und beste Qualität als Grundthema mit Variationen in die Hirne der Verbraucher hämmerte. Bereits schon im Jahr 1913 zählten 4933 Geschäftsadressen zu Bleyles Kundenstamm. Wichtig für Bleyle war damals schon eine Festpreispolitik; überall sollte die gleiche, gute Ware für denselben Preis zu kaufen sein. Die Firma kannte ihre Käuferschicht sehr genau und wusste ihr Klientel gezielt mit Werbung zu gewinnen.
Wilhelm Bleyle war auch der erste, der in der Branche eine professionelle Verkaufsförderung betrieb. Mit Giveaways (wie zum Beispiel Postkarten und Stundenpläne, Kalender und Kleiderbügel) für das Publikum, vor allem aber mit einem aufwendigen Werbemittel-Service für den Fachhandel. Die Werbung war voll auf das mittlere Bürgertum ausgerichtet. Die Einzelhändler konnten das Werbematerial gegen eine gewisse Kostenbeteiligung in Stuttgart ordern. Überregionale Anzeigen wurden selbst geschaltet, für lokale Werbeanzeigen stellte Bleyle den Einzelhändlern Vorlagen zur Verfügung. Der Dienst am Händler reichte von Musteranzeigen (mit kostenlosen Matern-Dienst) über die Beratung " für die textliche Abfassung von Bleyle-Inseraten" bis zu Mustertexten für die "Einschaltungen im redaktionellen Teil der Tageszeitungen". Wichtige Medien in dieser Zeit waren die Zeitungen und Zeitschriften, Außenwerbung, Schaufenster und Einzelhandelsgeschäfte. Für jedes Medium gab es bestimmte festgesetzte Werberichtlinien.