Wilhelm Bleyle
im Alter von 27 Jahren
Hermann Wilhelm Bleyle
lebte von *07.04.1850 bis †16.02.1915,
seine Ehefrau Wilhelmine Veigel (*1852 - †1910 ) heiratete er 1877.
Aus der Ehe entstanden 6 Kinder, drei Söhne und drei Mädchen.
Familien Wappen Bleyle
Karl Anton Wilhelm (*1878), Beruf Kaufmann
Hermann Max (*1881—†1965) Eintritt 1895 in das Familienunternehmen, 1907 technischer Leiter & rechte Hand des Vaters, erhält früh Prokura Status, ab 1913 Mitgesellschafter der Firma Bleyle.
Karl August (*1889—†1926), Komponist.
Friedrich Ernst (*1890—†1976), Diplom Kaufmann, 1913 Mitgesellschafter des Familienunternehmens.
Karoline Wilhelmine (*1882)
Marie Mathilde Amalie (*1885—†1925) verheiratet mit Arthur Weber (*1882).
Luise Antonie Helene (*1887)
Wilhelm Bleyle erblickt am 7. April 1850 in Feldkirch – Vorarlberg das Licht der Welt und wächst als jüngster von fünf Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen auf. Der Vater von Beruf Uhrmacher, die Ahnen seit acht Generationen als Schmiede tätig.
Unter glücklichen Umständen gelingt es Wilhelm Bleyle, mittels Stipendiums, auf die Oberschule in Innsbruck zu gehen. Die Lehre dort ist lebenspraktisch und naturwissenschaftlich ausgerichtet. Darüber hinaus besitzt Wilhelm Bleyle Zeichentalent, das ihm bei späteren Entwurfsplänen zu Gute kommt.
Der künftige Großkonfektionär war in vielem ein Kind seiner Zeit: Als furchtloser Unternehmer mit viel Pioniergeist und wenig Eigenkapital, als maschinengläubiger Fortschrittsverfechter in den Aufbruchszeiten des Umbruchs von der Handwerkstatt zur Fabrikanlage, als harter Arbeiter und noch härterer Arbeitgeber, als geiziger Kaufmann und ehrgeiziger Selfmademan.
Vor allem aber war Wilhelm Bleyle ein Kind seiner schwäbisch-alemannisch-pietistischen Heimat und eines seit Generationen handwerklich vorgeprägten Elternhauses. Er will Kaufmann werden und Karriere machen. Die Chancen dafür scheinen ihm - erste kluge Unternehmerentscheidung - im deutsch-wilhelminischen Teil der Region größer zu sein, als im österreichisch-habsburgischen. Er geht nach Ulm und absolviert eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann im Ulmer Zigarren-Versandgeschäft Schultheß, wo er die Besonderheiten des Einzelhandels, den engen Kontakt und den Umgang mit Kunden kennenlernt.
Kaum ausgelernt, treibt es den jungen Bleyle hinaus aus der biederen Enge der Ulmer Provinz. In der Landeshauptstadt Stuttgart, einer der mächtig aufstrebenden Großstädte des jungen deutschen Reiches, hat die Gold- und Silberwarenfabrik Märcklin & Co. die Stelle eines ersten Buchhalters ausgeschrieben. Wilhelm wird als Buchhalter eingestellt, obwohl ihm jegliche Erfahrung auf diesem Gebiet fehlte. Seine Zielstrebigkeit und Disziplin verhalfen ihm sich in kürzester Zeit das notwendige Wissen über die doppelte Buchhaltung selbst anzueignen. Wilhelm Bleyle hat nämlich zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Ahnung von den Geheimnissen der doppelten Buchführung.
Der Vorstellungstermin ist an einem Samstagmorgen, am nächsten Montagmorgen soll er schon anfangen, als Bürovorsteher einer vierköpfigen Abteilung. Da helfen nur zwei Unternehmertugenden: Fleiß und fast unbegrenzte Lernfähigkeit. Wilhelm Bleyle kauft sich ein Lehrbuch für doppelte Buchführung, büffelt eineinhalb Tage und zwei Nächte lang und präsentiert sich am Montagmorgen als perfekter Oberbuchhalter. Kaum im Amt, erklärt der neue Oberbuchhalter seinen freudig aufhorchenden Chefs, die Hälfte seiner Buchhaltungskollegen sei eigentlich entbehrlich, man könnte die gleiche Arbeit statt mit vieren genauso gut mit zweien schaffen. Nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass Wilhelm sich als geborener „natürlicher Verkäufer“- mit Erfolg erwies. Er besaß die Fähigkeit, sowohl die Kunden als auch die Geschäftsleitung für sich zu gewinnen. Früh mit 26 Jahren erhielt Wilhelm im Unternehmen Prokura Status und hatte ein gutes Einkommen.
An dieser Stelle bekommt die Biographie des späteren Matrosenanzugskönig einen Sprung. Der Sprung führt zurück in die österreichische Heimat und dauert zwölf Jahre. Weil der Bruder endgültig nach Amerika auswandern will, muss sich zu Hause jemand um dessen Gemischtwarenladen kümmern - und um eine alte Mutter. Er bricht seine steile, auf selbstständiges Unternehmertum programmierte Manager-Karriere bei Märcklin ab und kehrt dorthin zurück, wo er hergekommen war - in die Enge der Kleinstadt und in die Niederungen des Einzelhandels. Im gleichen Jahr 1877 heiratete er Wilhelmine Veigel, die Tochter eines Untertürkheimer Kronenwirts. Während dieser Zeit führte Wilhelm ein ruhiges und kleinbürgerliches Familienleben und gründete seine Großfamilie mit 6 Kindern.
Mit 35 Jahren beschloss Wilhelm Bleyle Strickwaren selbst herzustellen. 1884 begann er sich intensiv mit Strickbekleidung und Herstellungstechnik zu befassen. Er kaufte Handstrickmaschinen und stellte zwei Mitarbeiterinnen ein. Er strickt Socken und Strümpfe, bald auch Leibchen und Röcke, schließlich sogar einen ganzen Anzug. Neben den eigenen Produkten verkaufte Wilhelm bereits Strickwaren von anderen Zulieferern, wobei er aufgrund der steigenden Nachfrage das Potential gestrickter Oberbekleidung erkannte.
Der Gewinn einer Prämie auf der Landesausstellung in Bregenz zeigt ihm, dass er auch regional damit bestehen könnte. Aber Wilhelm Bleyle ist noch nicht zufrieden. Nicht zuletzt griff er einen Trend seiner Zeit auf, denn Strickbekleidung wurde im Zuge der Lebensreformbewegung als äußerst gesundheitsfördernd und praktisch propagiert. Wilhelm Bleyle beschäftigte sich mit dem Gedanken seiner erfindungsreichen Idee, wie er konfektionsmäßig ganze Strickanzüge maßanfertigen kann, ohne wie bisher – erst in zeit- und kostenraubender Weise alle Einzelteile auf Maß stricken zu lassen, umzusetzen. Ihm kommt die Idee, in Bahnen hergestellter Strickstoff je nach Schnittmuster in einzelne Teile zu konfektionieren. Im Falle Bleyle ist sie selbstgestrickt, und das im besten Wortsinne: Genial einfach - und deshalb einfach genial.
Um seine unternehmerische Idee ausüben zu können, kehrte er mit seiner Familie nach Stuttgart zurück und gründete am 28.März 1889 im Alter von 39 Jahren seine Strickwarenproduktion. Im Anwesen Kasernenstraße 20 beginnt er, laut Eintrag im Stuttgarter Gewerbe-Änderungs-Register am 1. April eine Garnhandlung mit "Fabrikation und Verkauf von gestrickten Waren". Der Maschinenpark besteht aus fünf Strick- bzw. Nähmaschinen, die Belegschaft aus acht Mitarbeitern: Einem Schneider, einer Näherin, fünf Strickern oder Strickerinnen. Der Gründungszeitpunkt ist glücklich gewählt. Die Nachfrage nach gestrickter Wolloberbekleidung entwickelt sich ausgesprochen rege. Vor allem der expandierende Markt der Kinderoberbekleidung verlangt nach einer halt-, dehn- und waschbaren, dabei gesunden und praktischen und nicht zuletzt wesentlichen billigeren Alternative zum Webstoffanzug.
Auch der Gründungsort hätte nicht klüger und glücklicher gewählt werden können. Sitzt doch am Stuttgarter Polytechnikum mit dem Professor Gustav Jaeger einer der maßgeblichen Autoritäten auf dem Gebiet der hygienischen Bekleidungslehre, doziert er in seinen Vorlesungen: „Wolle sei das ideale Material für die hygienische Kleidung des modernen, gesunden Menschen.“ Auch Kaiser Wilhelm, der kurz vor der Firmengründung seinen Thron bestiegen hat, ist Anhänger der Pflege der nationalen Marinebegeisterung.
Bleyle war der erste, der in der Branche ein System von Standardgrößen einführte - zum Nutzen des Handels und natürlich auch zum Eigenen. Bereits ein Jahr nach Firmengründung begann Wilhelm Bleyle mit der Herstellung und dem Vertrieb eines Bleyle-Knabenanzugs in Form eines Bleyle-Matrosenanzugs - mit dem Erfolg, dass der eine bald zum Synonym des anderen wird. Denn einerseits beschleunigte und erleichterte das genormte Größensystem den Verkaufsvorgang im Laden, andererseits trug es wesentlich dazu bei, die Herstellung weiter zu rationalisieren und so das Unternehmerrisiko weiter zu mindern (wobei der Matrosenanzug wegen seiner festgelegten Grundform sowieso schon als ideal für die konfektionelle Fertigung galt).
Er war auch der erste, der in der Branche eine professionelle Werbung betrieb: Mit Plakaten und Inseraten, Prospekten und Katalogen, Bildzeichen und Slogans ("Bleyle`s Knabenanzüge sind die Besten"). Wobei die Bleyle-Werbung - ähnlich wie später die klassische "Käfer"-Werbung - über Jahrzehnte hinweg immer wieder die gleichen drei Produktvorteile (Qualität, Haltbarkeit, Kundendienst) als Grundthema mit Variationen in die Hirne der Verbraucher hämmerte. Elf Jahre später besaß Wilheilm Bleyle ein Werk mit 180 Mitarbeitern, das immer weiter wuchs. Im Jahr 1903 entstand das Zweigwerk in Brackenheim, 1906 die Ludwigsburger Fabrik. Die Firma Bleyle produzierte nicht nur für den heimischen Markt, sondern exportierte auch ins europäische Ausland und in die USA.
Wilhelm Bleyle
1913, zwei Jahre vor seinem Tod, zog sich Wilhelm aus dem Geschäftsleben zurück. Seine Frau verstarb im Jahr 1910 was ihm das Herz brach. Der geschätzte Umsatz zu diesem Zeitraum lag bei circa 5 Millionen Mark. Die Söhne Fritz und Max Bleyle übernahmen zusammen mit ihrem Schwager Arthur Weber die Geschäftsführung. 1915, im Alter von 65 Jahren starb Wilhelm Bleyle nach langem, schwerem Leiden.
Er hatte eine charismatische Persönlichkeit mit einem großen Herz und einem Zeitgeist, der sowohl kreativ als auch offen für Innovationen war. Mit viel Vitalität und Einfallsreichtum wurde Wilhelm Bleyle vom unbedeutenden Verkäufer zu einem erfolgreichen Industriellen.